Alpenbiennale: Elevation 1049

Drei Wochen, bevor es los geht, beginne ich den Tag in Gstaad, indem ich Roman Signer, Peter Fischli, Bernhard Hegglin und Marco Baettig, die am Frühstückstisch im Bernerhof sitzen, «guten morgen» sage. Dann geht es los – zum Chaletbauer Albert Bach, dann auf die Piste zum Eggli-Skilift, wo Signer ein Chalet die Piste runtersausen lässt. Am Nachmittag darf ich die wunderbare «Garage» Peter Fischlis besichtigen, danach mit Olympia Scarry an den Lauenensee. Hey, was für ein Tag! Hier mein Artikel darüber:

1049 Meter – so hoch liegt der Bahnhof Gstaad über Meer. Doch das höchste Werk der Freiluftschau «Elevation 1049» kommt viel höher, auf 3000 Meter, zu stehen. Olivier Mosset wird auf dem Diablerets-Gletscher eine Eisskulptur in Form von Panzersperren aus dem 2. Weltkrieg installieren. Ihr Titel: «Toblerone».

Mosset, 69, ein wichtiger Pionier der minimalistischen Kunst und Schweiz-Amerikaner aus Arizona, ist bei der in Gstaad stattfindenden Alpenbiennale in guter Gesellschaft. Denn alles, was Rang und Namen hat in der Schweizer Kunst, wird in der verschneiten Landschaft vertreten sein.

Noch ist wenig zu sehen, doch manche Werke werden unübersehbar den Berner Oberländer Skiort prägen, wie etwa zwei neue grosse Skulpturen von Urs Fischer, die beim Chälblibrunnen an der Promenade zu stehen kommen oder Ugo Rondinones Trafostation Aebnit an der Bellerivestrasse, die mit einer farbigen Folie verkleidet zu einem psychedelisch anmutenden «magic tower» wird.

Andere Kunsteingriffe in die Gstaader Wirklichkeit hingegen wird man ohne Anleitung kaum bemerken. Ihrer Wirkung tut der diskrete Auftritt indes keinen Abbruch. Bei einer zufälligen Begegnung mit dieser Kunst ist man zunächst irritiert, danach aber umso mehr begeistert.

Wie bei der Arbeit von Peter Fischli. Seit dem Tod von David Weiss vor zwei Jahren entwickelt Fischli die Signatur des weltberühmten Kunstduos Fischli/Weiss weiter. Hinter der Shell-Tankstelle in Saanen, in umittelbarer Nähe der Postautostation Oberdorf, hat Fischli einen Raum eingerichtet. Diese Arbeit, die zunächst wie eine mit Gerümpel vollgestellte Garage aussieht, trägt alle grossartigen Merkmale eines Fischli/ Weiss-Werks: Mir nichts, dir nichts offenbart sie eine schwindelerregende philosophische Tiefe.

Denn erstens ist das vermeintliche Gerümpel ein Artefakt. Alles, was man in dem Raum herumstehen sieht, ist geschnitzt. Die Nachbildungen aus Polyurethan imitieren täuschend echt alte Moonboots, eine vergessene Motorsäge, einen Plattenspieler mit einer Reggae-Platte drauf, sogar einen alten Coop-Sack. Was nicht heisst, dass die Patina nicht echt ist. Denn solche geschnitzen Gegenstände kommen seit 1982 im Werk von Fischli/ Weiss vor. Was Fischli hier zu einem wunderbaren Tableau arrangiert hat, sind Überbleibsel früherer Arbeiten.

«In einer Ausstellung, die im öffentlichen Raum stattfindet, spricht unsere Arbeit über den privaten Raum und kann als ambivalente Heterotopie gelesen werden», sagt Peter Fischli, gerade fertig geworden mit der Einrichtung des Werks. Das Fenster zur Garage – man sieht das Innere nur, wenn man hindurchspäht – spiegelt die Berggipfel gegenüber und das eigene Gesicht.

Für die Organisation der Ausstellung hat die private Initiantin, die Luma&-Stiftung der Kunstmäzenin Maja Hoffmann, ein mondänes Kuratorenpaar aus New York verpflichtet: Neville Wakefield und Olympia Scarry, die Enkelin des bei uns weniger bekannten, im angelsächsischen Raum aber populären Kinderbuchautors Robert Scarry, der in Gstaad wohnte.

Es ist den beiden gelungen, die Elite der Schweizer Kunst (auch Christian Marclay, Pipilotti Rist, John Armleder, Sylvie Fleury, u.a.) sowie interessante Newcomer, etwa Claudia Comte oder Pamela Rosenkranz, zu gewinnen.

Das sei nicht allzu schwierig gewesen, erzählt Kurator Neville Wakefield bei einem Grüntee im Hotel Bernerhof, denn die Künstler seien nur allzu bereit, den sterilen weissen Raum der Galerien zu verlassen und sich mit dem mystischen Weiss der Landschaft auseinanderzusetzen.

Eine der poetischeren Arbeiten stammt gleich von der Co-Kuratorin Scarry selbst. In der Abgeschiedenheit des zugefrorenen Lauenensees steckt sie mit Pfosten, die zur Gebäudemarkierung verwendet werden, ein imaginäres Haus aus. Die Spitzen sind vergoldet, sie wiegen sich im Wind und erzählen dem hier Vorbeiwandernden ein Märchen von unsichtbaren Eisschlössern und einem verzauberten Goldschatz.

Eröffnungswochenende: 24., 25., 26. Januar 2013

www.elevation1049.org

Veröffentlicht in der SonntagsZeitung am 12.1. 2014

About Ewa Hess

Swiss journalist, Editor Arts @Sonntagszeitung, Zürich

Schreibe einen Kommentar

Please use your real name instead of you company name or keyword spam.