Die Basler Ausstellung Mondrian-Newman-Flavin elektrisiert mich im Voraus. Ich erwarte, dass es die spannendste Ausstellung der Saison wird. Eine ruhige dennoch unüberhörbare Intervention, die mitten in der Geschwätzigkeit der Gegenwartskunst wie eine Detonation hochgeht. (Irgendwie werde ich im Zusammenhang mit dieser doch durch und durch friedlichen Ausstellung die Kriegsterminologie nicht los. Schon im SonntagsZeitungs-Artikel sprach ich vom Atomreaktor.) Mondrian und Newman… Die haben vielleicht schon etwas von Kreuzrittern? Hier der SoZ-Text:
KUNST AUF DIÄT
Das Kunstmuseum Basel zeigt drei Visionäre, die mit ihrer Askese nicht nur die Kunst, sondern auch die Welt erneuerten
Von Ewa Hess
Das Kunstmuseum Basel begibt sich unerschrocken in karge Gefilde. Mit der Ausstellung «Mondrian, Newman, Flavin» zeigt es ab nächsten Sonntag drei der sprödesten Künstlerpersönlichkeiten der letzten zwei Jahrhunderte, vielleicht auch der Kunstgeschichte überhaupt. Piet Mondrian, Barnett Newman und Dan Flavin haben – jeder auf seine Weise – die Kunst auf Abmagerungsdiät gesetzt.
Doch so karg ihre Formensprache auch sein mag, die Intensität ihrer Werke ist umso grösser. Die mit Spannung erwartete Ausstellung ist so etwas wie ein künstlerischer Atomreaktor. Unter der stillen Oberfläche der Werke vibriert gefährliche Energie.
In nur drei aufeinanderfolgenden Generationen haben Piet Mondrian, Barnett Newman und Dan Flavin die Kunst beinahe abgeschafft. Und ihr damit eine neue Freiheit geschenkt.
Dass der Kunstmuseum-Direktor und Kurator der Schau, Bernhard Mendes Bürgi, gerade diese drei auswählt, um eine zentrale Geschichte der Moderne zu erzählen, ist raffiniert. Er hätte ja auch Kandinsky, Picasso und Warhol zeigen können. Auch von diesen Künstlern besitzt das Basler Haus gute Werke, die, um Leihgaben ergänzt, eine tolle Schau ergäben. Dank den besessenen Asketen Mondrian, Newman und Flavin weitet sich allerdings das Thema. Mit ihnen steht nicht nur die Kunstgeschichte im Zentrum, sondern die Sinngebung der ganzen Gesellschaft.
MONDRIANS VIERECKE
Nach dem grossen Blutvergiessen des Ersten Weltkriegs wollte Piet Mondrian der Menschheit zu einem neuen Anfang verhelfen. Ihm schwebte eine Kunst vor, die nicht die Differenzen zwischen den Menschen betonen würde, sondern das Verbindende: ein universelles Regelwerk. Darum reduzierte er seine Mittel auf Farbe, Form, Linie und Raum.
Er beschränkte sich dabei auf die Primärfarben Rot, Blau und Gelb und wechselte lediglich zwischen zwei geometrischen Formen: Quadrat und Rechteck. Auch verwendete er ausschliesslich senkrechte und waagrechte Linien. Wahre Freiheit war für Mondrian nicht Gleichheit, sondern das Gleichgewicht. Seine asymmetrischen Kompositionen ins Gleichgewicht zu bringen, das betrachtete er als seine grösste Herausforderung. Er suchte die reinste Form der abstrakten Kunst. Die Kraft seiner ästhetischen Vision beeinflusste vor allem die Architektur- und Designwelt. Yves Saint Laurent, der ihn verehrte und vier seiner Bilder besass, sagte einmal: «Weiter kann man in der Malerei nicht gehen.»
NEWMANS REISSVERSCHLÜSSE
Das sah der Amerikaner Barnett Newman ganz anders. Auch er suchte ein universelles Konzept, welches über die Kunst hinausweist, doch ihm war das geometrische Korsett Mondrians zu eng. Per Zufall fand er an seinem 43. Geburtstag, drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die Lösung. Anstatt das auf die bereits bemalte Leinwand aufgeklebte Klebeband zu entfernen, schmierte er Farbe drauf. So entstand der erste «zip» (engl. für Reissverschluss). Fortan malte Newman immer so. Er trennte die homogenen Farbflächen mit vertikalen Linien, die für ihn ein Symbol für den höheren Sinn waren. Diese Linien machten nicht nur die Bilder komplett. Sie waren auch so etwas wie Öffnungen oder Startbahnen, dank welchen der Betrachter an einer erhabenen Erfahrung teilhaben konnte.
FLAVINS LEUCHTSTOFFRÖHREN
Das Licht war schon immer ein Element der Malerei. Wenig verwunderlich also, dass der Minimalist Dan Flavin auf seiner Suche nach einer weiteren Befreiung der Kunst auf fluoreszierende Leuchtröhren stiess. Er legte sich die Regel auf, nur handelsübliche Formen und Farben zu verwenden.
Wie alle Künstler der Minimal Art bestand Flavin darauf, dass sein Werk keine versteckten Bedeutungen enthielt. Dennoch betrachtete er seine Skulpturen als Ikonen, die «begrenzte Erleuchtung» spenden. Seine Werke verschmelzen manchmal so diskret mit der Umgebung, dass sie gar nicht wie Kunst wirken. Andere wiederum ziehen Besucher, wie Insekten, magisch an.
Populär war Flavins Leuchtröhren-Kunst immer. In der letzten Zeit erfährt sein Werk eine weitere Aufwertung. Diese zeigt auch sein Einschluss in das in Basel gefeierte Heldentrio der asketischen Moderne.
Kunstmuseum Basel, «Mondrian – Newman – Flavin», 8.9. bis 19.1.2014
www.kunstmuseumbasel.ch
Publiziert am 01.09.2013