November 2013

House of Cards

House of Cards Ewa Hess | 29. November 2013 – 09:02 vergingen wie im Flug, und dann konnte ich sofort die nächsten 50 anfangen. Meine zwei Tage mit «House of Cards» und der kurze Text dazu, erschienen in der SonntagsZeitung am 17.11.2013 Zähflüssiges Gift Er gab dem Geld den Vorzug über die Macht. Ein Fehler, den in dieser Stadt fast jeder macht. Dabei ist Geld wie eine geschmacklose Villa in Florida – nach zehn Jahren reparaturbedürftig. Die Macht dagegen ist wie eine steinerne Burg, die Jahrhunderte überdauert. Jemanden, der diesen Unterschied nicht versteht, kann ich nicht achten. Ich? Nein, diese eines Machiavelli würdige Ansprache stammt nicht von mir. Beau Willimon schrieb sie für die amerikanische TV-Serie «House of Cards». Und dann legte sie der Regisseur David Fincher dem Schauspieler Kevin Spacey in den Mund. Dieser sondert jedes Wort in kalter Verbissenheit ab, wie zähflüssiges Gift. Als ein übergangener Politiker, dessen Ränkespiele im Weissen Haus andere Menschen ihre Karrieren, ihre Gesundheit und Selbstachtung kosten, ist Spacey der Liebling der Saison. Mitten in seinem kalt berechnenden Tun dreht er den Kopf, schaut dem Publikum vor dem Bildschirm tief in die Augen und erklärt die Welt. Seine Welt. Eine ohne Gnade. Das ist wie Shakespeare, aber auch wie Brecht: grosses moralisches Theater. Nur, dass es Fernsehen ist. Oder nicht mal das. Denn Netflix, der Produzent von «House of Cards», ist eine Online-Videothek. Lange Jahre war Netflix in den USA das leicht verachtete Portal, auf dem man DVDs bestellte und alte Fernsehserien schaute. Doch dann verlangte Netflix Gebühr. Man musste plötzlich Abos haben, eins für die Miete und eins fürs Online-Schauen. Die Kunden kündigten in Scharen. Da ging Netflix ein Lichtchen auf. 100 Millionen Dollar soll Netflix die Produktion von «House of Cards» gekostet haben. Ein Klacks, verglichen mit den Werbekosten im amerikanischen Riesenland. Das Prädikat «genial» verdiente sowieso nicht die Produktion an sich. Sondern die Tatsache, dass man sie gratis ins Netz stellte. Und zwar alle Folgen aufs Mal. Diesem Gift kann man schlicht nicht widerstehen. 50 Minuten vergehen wie im Flug, und dann fangen schon die nächsten 50 an, Kevin Spacey hat gerade den Gouverneur von Pennsylvania aufgestellt, noch 50 Minuten und man kann sehen, wie dieser vor die Hunde geht. Jedenfalls, Netflix konnte seine Kunden alle wieder anfixen. Und verkauft jetzt die Serie an Fernsehstationen. Denn etwas hat Kevin Spacey vergessen zu erwähnen: Hat man erst die Macht über die Menschen erlangt, kommt das Geld hinterhergerannt. «House of Cards» am Montag 23.45 auf SRF 2. Netflix ist in der Schweiz übrigens bis jetzt offiziell nicht verfügbar About Ewa HessSwiss journalist, Editor Arts @Sonntagszeitung, ZürichView all posts by Ewa Hess » @askewa @PSPresseschau Wunderbares textlein 🍀 thx 4 sharing 08:10:37 PM Mai 30, 2023 von &s in Antwort auf PSPresseschau@GESDA Hackathon 4 the future – Open Quantum Institute in the making. Impressive! https://t.co/hWBdlsEFkd 09:35:19 AM Mai 07, 2023 von &s in Antwort auf GesdaIt’s my #Twitterversary! I have been on Twitter for 13 years, since 26 Nov 2009 (via @twi_age). 01:00:51 AM Dezember 13, 2022 von &s @askewa folgen Neueste Beiträge Baselitz‘ WeltI likePrivate Sales, ein SchattenspielAdieu John BergerTalk mit Jacqueline Burckhardt Blogroll FAQNews-BlogPop MattersRevue 21Support ForumWordPress-Planet Themen Ai Weiwei Amerika Andy Warhol Aphrodite Ascona Baron Heinrich Thyssen Basel Biennale Venedig Bird’s Nest Caravaggio China Fischli/Weiss Fondation Beyeler Frank Gehry Georg Baselitz Gerhard Richter Ghirlandaio Gstaad Gurlitt Gustav Klimt Harald Szeemann Keanu Reeves Kunst Kunstmuseum Basel Louise Bourgeois Maja Hoffmann Maria Lassnig Marlene Dumas Melinda Nadj Abonji Monte Verità Nachtkritik Oprah Winfrey Pipilotti Rist Schweizer Architektur Schweizer Film Schweizer Kunst Schweizer Literatur Shakespeare Simon de Pury Thomas Hirschhorn Ugo Rondinone Urs Fischer Valentin Carron Warhol Weltwoche Next Post Schreibe einen Kommentar Cancel Reply Logged in as Ewa Hess. Edit your profile. Log out? Required fields are marked * Message*

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X Freunde in Bern

X Freunde in Bern Ewa Hess | 21. November 2013 – 09:10 Ein Stück à la mode, das bitterböse Porträt der Generation Burnout, von der deutschen Autorin Felicia Zeller in atemlose Sätze gefasst. Über die Schweizer Erstaufführung in Bern schrieb ich für Nachtkritik.de. Bern, 20. November 2013. Es gibt sie auch in Bern, auch wenn sie in der gern als allzu gemächlich verspotteten Schweizer Hauptstadt eigentlich als der Inbegriff des Zürchers gelten: Die Email-Checker, Combox-Lauscher, Laptop-Streichler. Menschen wie Anne, wie Peter, wie Holger – kreative Selbstausbeuter, die sich auf der Jagd nach einem ungenügend definierten ökonomisch-narzisstischen Ideal unablässig den eigenen Rücken peitschen. Früher haben die drei als „Cappuccino-Trio“ Kaffeehäuser unsicher gemacht. Der süße Milchschaum dieser Tage ist aber längst passé. Die Erinnerung daran wird im Mund der fast Erfolgreichen zu einer fast verständlichen Floskel. Atemloser Singsang der Generation Burnout„Ich weiß manchmal gar nicht mehr, wo oder was, allein der Gedanke, wie viel ich noch zu tun habe, ich sollte eigentlich gar nicht hier sein“ – mit Sätzen wie diesen gelingt der Autorin Felicia Zeller nicht nur die Charakterisierung ihrer drei Helden im Stück „X-Freunde“. Mit diesen prädikatslos hinkenden Satzkrüppeln äfft sie den atemlosen Singsang der ganzen Generation Burnout nach. Einer Generation, der die physische und psychische Erschöpfung der Kräfte nicht nur zur Gefahr, sondern auch zur Ehre, zur Sehnsucht gar wird. Anne hat gerade ihre Stelle in einer Werbeagentur gekündigt. Deren Weltverbesserungsstrategie war ihr zu langsam, der seelenlose Abteilungsleiter stand ihr vor dem Selbstverwirklichungs-Glück. Nun gründet sie mit einem Kollegen eine eigene Firma, die wird „Wege aus der Gleichgültigkeitskrise“ mit einer Entschiedenheit verfolgen, die dem großen Thema gerecht wird. Derweil laboriert Freund Peter, ein Bildhauer mit Renommee in der Kunstwelt, an einem letzten Meisterwerk seiner Skulpturenreihe X-Freunde. Der letzte Freund soll der Schar der bisherigen erst so richtig einen Sinn verleihen. Nur blöd, dass die antizipierte Bedeutsamkeit des Werks die Inspiration wegscheucht. Weltrettungsrhetoriktriefende TiradenHolger, der Koch, wäre wohl der vernünftigste der drei. Wenn ihm nur nicht dieses fatale Malheur passiert wäre. Die von seiner Cateringfirma servierten Kaltwasserkrevetten waren verstrahlt. Nur leicht. Doch zwei Tote sind für einen Foodlieferanten keine gute Referenz. Holger versucht seither seinem arbeitslosen Leben an der Seite der hyperaktiven Anne einen Anstrich von Wichtigkeit zu geben. Ob Agenda-Einträge wie „Gartenhacke kaufen“ dabei helfen? Nicht sicher. In der Berner Inszenierung, in der Jan Stephan Schmieding für die erkrankte Regisseurin Franziska Marie Gramss eingesprungen ist, treten die drei Selbstdarsteller in greller Zirkusmanier auf einer rosaroten Stufenbühne von Barbara Pfyffer wie Conférenciers in Smokings auf. Das passt gut zu diesem aus lauter Monologen bestehendem Sprechakrobatik-Text. Milva Starks Anne schleudert mit animalischer Wucht ihre abwechslungsweise hass- und weltrettungsrhetoriktriefenden Tiraden ins Publikum. Die Furie ihres Auftritts konterkariert der intellektuell scheinbar abgeklärte, augenzwinkernd zynische Vortrag Peters. Jürg Wisbach gibt den Bildhauer weltmännisch, selbst in Momenten kreativer Verzweiflung meint man zu spüren, wie sich der auf den Zuspruch der Kuratoren und des Publikums bedachte Schöpfer selbst beobachtet. Die wärmste Note des Abends schlägt Stefano Wenk als Annes Mann Holger an. Seine starke physische Präsenz bringt die verbalen Seifenblasen des Dialogs immer wieder zum Platzen.Zeitgeist beim Schopf gepacktUnd doch fragt man sich im Verlauf des anderthalbstündigen Abends immer öfter, ob es eine kluge Entscheidung war, den vom Fachmagazin Theater heute mit dem Titel „Stück des Jahres 2013″ ausgezeichneten Text so plakativ in Szene zu setzen. Bereits die Frankfurter Uraufführung vor einem Jahr schien an einem Übermaß des Klamauks zu kranken. Auch die Schweizer Erstaufführung in den Berner Vidmarhallen schmeißt sich den verführerischen Sätzen Zellers überschwänglich an den Hals. Diese sind aber selber schon Karikatur genug, reihen Worthülsen aneinander. So geschickt, kunstvoll und listig das Felicia Zeller in ihrem Text auch anstellt, eine gewisse Ermüdung beim Abspulen dieser modernen Litaneien bleibt unvermeidbar. Eine Unterfütterung der Textbausteine mit existenzieller Wahrheit hätte gerade bei diesem Stück Zellers not getan, da ihm die Ambivalenz ihres großartigen „Kaspar Häuser Meer“ fehlt.Den Zeitgeist packt es allerdings exakt beim Schopf. Weswegen den deutschsprachigen Theaterfreunden in naher Zukunft noch einige „X-Freunde“ in die Häuser stehen. Den inoffiziellen Wettbewerb um die beste Version wird wohl jene Inszenierung gewinnen, in welcher Holgers Tod am Schluss des Stücks den Zuschauern, anders als der lieblosen Gattin Anne, nicht einfach nur ungelegen kommt. About Ewa HessSwiss journalist, Editor Arts @Sonntagszeitung, ZürichView all posts by Ewa Hess » @askewa @PSPresseschau Wunderbares textlein 🍀 thx 4 sharing 08:10:37 PM Mai 30, 2023 von &s in Antwort auf PSPresseschau@GESDA Hackathon 4 the future – Open Quantum Institute in the making. Impressive! https://t.co/hWBdlsEFkd 09:35:19 AM Mai 07, 2023 von &s in Antwort auf GesdaIt’s my #Twitterversary! 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Wollen Museen Gurlitts Werke?

Wollen Museen Gurlitts Werke? Ewa Hess | 10. November 2013 – 15:56 Da Hildebrand Gurlitt, dessen wiederentdeckte Bilder nun schon seit Tagen grosse Aufregung verursachen, ein Spezialist für deutsche Avantgarde war, sind die meisten Werke in seiner Sammlung „entartete Kunst“, also solche, die in den deutschen Museen beschlagnahmt wurde. Wollen aber die Museen diese Werke zurück? Nicht sicher. Denn Werke, die er sich leisten konnte, sind höchstens «ganz gut», also eher Füllmaterial für Museumsdepots und Kunsthistoriker-Futter. Hier mein Text aus der Sonntagszeitung Am 6. Oktober 1952 geht beim Sammler Emil Bührle in Zürich eine schriftliche Anfrage ein. Ein gewisser Hildebrand Gurlitt möchte gerne die famose Sammlung des Industriellen besichtigen. Wenig später führt Bührles Sekretär den Deutschen durch die Zimmer an der Zürcher Zollikerstrasse. Zu einer Begegnung kommt es nicht. Die Anfrage bleibt wohlverwahrt im Archiv der Bührle-Stiftung. Falls sich Hitlers Kunsthändler Gurlitt mit der Absicht trug, dem damals im grossen Stil einkaufenden Bührle eines der Werke aus seiner eigenen Sammlung anzubieten, muss ihn der Besuch in Zürich entmutigt haben. Denn eines wird ihm klar geworden sein: Keines seiner eigenen Werke kann den Grosssammler verlocken. Aussergewöhnliche Weltklasse, Bührles bevorzugtes Sammelgut, besitzt Gurlitt nicht. Ebenfalls keinen geschäftlichen Kontakt mit Gurlitt hatte der in Zürich tätige Kunsthändler Walter Feilchenfeldt. Weder Hildebrand Gurlitt noch sein wunderlicher Sohn Cornelius hatten je versucht, dem Kunsthandel Feilchenfeldt Werke anzubieten. Mit gutem Grund, denn nach einem Blick auf die ihm unterbreitete Liste der Gurlitt-Werke stellt Sohn Feilchenfeldt lakonisch fest: «Ich würde mich um diese Liste nicht bemühen.» Und doppelt entschieden nach: «Kein Grund, ein Casino aufzumachen!» Alle Zeichen weisen darauf hin, dass Milliardenerwartungen an die über sechzig Jahre in der Münchner Wohnung schlummernde Sammlung ins Reich der Märchen gehören. Die von der amerikanischen Spezialeinheit der Kunstretter (siehe Seite 38) angefertigte und hier abgebildete Liste der Gurlitt-Sammlung ist zwar nicht vollständig, doch gemeinsam mit den an der Pressekonferenz vom Dienstag in Augsburg gezeigten weiteren Bildern erlaubt sie eine Einschätzung des Sammlungscharakters: Ganz klar spielte Hildebrand Gurlitt nicht in der Topliga der Nazikunsthändler mit. Zugang zur Raubkunst, aber nicht zu Meisterwerken Hätten sich unter den in München gefundenen Bildern die berühmtesten der noch verschollen bleibenden Meisterwerke, wie etwa Franz Marcs «Der Turm der blauen Pferde», befunden, hätte sie die Augsburger Staatsanwaltschaft bestimmt an der Pressekonferenz gezeigt. Hat sie aber nicht. Die ebenfalls gezeigten «Pferde in der Landschaft» von Marc scheinen also das wertvollste Bild der Gurlitt-Sammlung zu sein, sein Verkaufswert wird auf 45 Millionen Euro geschätzt. Danach folgt das Porträt der sitzenden Frau von Matisse, welches offenbar aus dem von den Nazis geplünderten Pariser Banksafe des Kunsthändlers Paul Rosenberg stammt und ca. 10 Millionen Euro wert sein dürfte. Die Nachfahren Rosenbergs haben bereits ihre Besitzansprüche angemeldet. Nur ausnahmsweise scheint es dem bereits vor dem Krieg von den Nazis angefeindeten Museumsdirektor Gurlitt gelungen zu sein, seine im Dienste Hitlers schmutzig gewordenen Hände auf Meisterwerke zu legen. Dennoch hatte er bei seinen Reisen nach Paris Zugang zu Raubkunst. Aus Frankreich stammen möglicherweise seine alten Meister (etwa Guardi, Listennummer 1937/11, Fragonard, Listennummer 1957/5, oder Jacob Ruisdael, Listennummer 1974/3, sowie der an der Pressekonferenz gezeigte Canaletto). Diese Werke erzielen heute ebenfalls Millionenpreise. Raubkunst-verdächtig, also zu jener Kunst gehörend, die von den deutschen Stellen im Ausland beschlagnahmt worden ist, sind auch die Werke von Edgar Degas (Listennummer 1951/2 und 1951/3), die unbekannte Chagall-Gouache (2004/4) und die in Augsburg gezeigten Bilder von Matisse und Courbet. Weitere Nachforschungen verlangt die Listennummer 2004/5: Von den «Monuments Men» zunächst als «German, 20th. Century» bezeichnet, entpuppt sich das Werk später als die «Frau mit zwei Nasen» von Picasso. Davon sprechen die US-Akten. Überhaupt gehört die Kunst, welche zu Hitlers Zeit in Bedrängnis geriet, zu den bestdokumentierten Kapiteln der jüngsten Kunstgeschichte. Umso unverständlicher erscheint in diesem Licht die Tatsache, dass die mit der Sammlungssichtung betraute Kunsthistorikerin Meike Hoffmann nach anderthalb Jahren Beschäftigung zu gar keinen Resultaten in ihren Nachforschungen gekommen sein soll. Nun läuft die ganze Welt gegen Deutschland Sturm Eine erste grobe Sortierung wäre bereits in den ersten Monaten möglich gewesen. Neben der Raubkunst, die dank der vorbildlichen Datenbank Looted Art identifiziert werden kann, hätten noch die Kategorien «Fluchtkunst», «entartete Kunst» und «zwangsveräusserte Kunst» berücksichtigt werden müssen. Nur: Fluchtkunst hatte Hildebrand Gurlitt keine. Denn es handelt sich dabei um Kunst, die aus Deutschland ausgeführt und von Privaten im Ausland verkauft worden ist, oft um ihre Amerika-Überfahrt zu finanzieren. Als Käufer solcher Werke kam der Nazihandlanger Gurlitt nicht infrage. «Keiner, der mit einem Picasso über die Grenze gekommen war, ging damit zu Gurlitt», sagt ein Kenner der Verhältnisse. Ebenfalls schnell identifiziert müsste die «entartete Kunst» sein, also Werke, die in einem gross angelegten Raubzug durch deutsche Museen von den Nazis beschlagnahmt und im Ausland versilbert wurden. Bei dieser Aktion dürfte Hildebrand Gurlitt eine besondere Rolle zugekommen sein, denn der ehemalige Museumsdirektor aus Zwickau liebte die Werke der deutschen Avantgarde. Es sind wohl seine Insiderkenntnisse, die es ihm erlaubten, trotz seiner nicht ganz arischen Herkunft sich im Tross von Hitlers Käufern und Wiederverkäufern zu behaupten. Aber auch hier: Die Topwerke bekam er nicht. All die Mackes, Grosz, Dix, Noldes, Liebermanns, Rohlfs, Schmidt-Rotluffs und Pechsteins auf der Liste scheinen gute, doch nicht herausragende Werke zu sein. Was die Amerikaner als «painting» bezeichnen, ist oft eine Arbeit auf Papier. Wie jenes kolorierte druckgrafische Mädchenporträt von Ernst Ludwig Kirchner, von dem Meike Hoffmann an der Pressekonferenz schwärmte. Dass allerdings Frau Hoffmann nach all der Zeit nicht imstande war, wenigstens eine Liste der «entarteten Kunst» aus der Gurlitt-Sammlung vorzulegen, ist ein Skandal. Denn niemand anderer als sie selbst führt an der Freien Universität Berlin die entsprechende Forschungsstelle, inklusive einer Datenbank. Ihr Spruch, dass sie mittlerweile «500 Werke anrecherchiert hat», dürfte als ein unfreiwilliger Witz in die Geschichte der Restitutionsforschung eingehen. Es mag sein, dass die Augsburger Staatsanwaltschaft von der «Focus»-Veröffentlichung überrumpelt worden ist. Doch den darauf folgenden kommunikativen Unfall hat sie ganz allein sich selbst zuzuschreiben. Denn nun läuft die ganze Welt gegen Deutschland Sturm. Kanzlerin Angela Merkel muss sich um den Zwischenfall kümmern, man ruft nach einem internationalen Kunsttribunal. Das alles wäre nicht nötig

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Maestro Morricone

Maestro Morricone Ewa Hess | 4. November 2013 – 05:52 Wunderbar schlechtgelaunt: Ennio Morricone widersteht in Interviews dem Strahle-Diktat der heutigen Zeit. Im Gespräch mit dem genialen Akkord-Arbeiter (fast 600 Filmmusiken! Er schrieb in manchen Jahren an die 100 Filmscores, das ist 10 pro Monat!!!) musste ich mir – wie alle – sehr spröde Antworten gefallen lassen. Am Abend, während des Konzerts in der Arena di Verona, bei Vollmond, sah ich den alten Gentleman doch den tobenden Applaus des 20 000 köpfigen Publikums geniessen und endlose Zugaben geben! Ennio Morricone über Spaghetti-Western, seinen Bewunderer Tarantino und das Leben als Popstar Von Ewa Hess Die Welt macht es Ennio Morricone nicht leicht. Seine Fans lieben ihn für etwas, das sie Spaghetti-Western nennen. Dabei träumt der Maestro von einer «musica assoluta», einer Musik, die keine Genres und Grenzen kennt. Spaghetti stellt ihm höchstens seine Frau Maria auf den Tisch, mit der er schon über 60 Jahre verheiratet ist und die ihn auch zu diesem Interview begleitet. Mit Maria teilt Morricone eine Etagenwohnung in Rom mit dem Blick auf das Kapitol. In dieser komponiert er immer noch täglich, dort spielt er Schach und joggt durch die Korridore. «60 Meter hin und 60 Meter zurück», berichtigt er, es sei nur ein schnelles Laufen. Die Wohnung verlässt der Komponist nur selten. Nur wenn er gerade einen Oscar bekommt oder, wie an diesem Nachmittag in Verona, ein Konzert vor 20 000 Menschen in der historischen Arena auf ihn als Dirigenten wartet. Wenn man seine Hand schüttelt und «grande onore» stammelt, blickt er misstrauisch durch die dicken Gläser. Denn er weiss, was jetzt kommt: Fragen zu den Spaghetti-Western. Ennio Morricone, wie war das, als Sie mit Sergio Leone den Italowestern erfanden? War das ein Witz, oder dachten Sie schon damals, dass Sie etwas Bedeutendes schaffen? Weder noch! Es war gewöhnliche Arbeit. Leone gefiel meine Musik zu den zwei Western, die ich für andere Regisseure gemacht hatte, darum rief er mich an. Er hatte eine Vorstellung, was er brauchte, und ich konnte liefern. Das klingt sehr nüchtern. Sie waren doch alte Schulfreunde? Na ja, Freunde. Wir waren nur ein Jahr lang Klassenkameraden, in der dritten Klasse der Grundschule, wenn Sie es ganz genau wissen wollen. Warum nennen Sie sich im Nachspann von «Für eine Handvoll Dollar» eigentlich Dan Savio und Bob Robertson? Schämten Sie sich? Nein, wo denken Sie hin! Der erste Film, den wir zusammen gemacht haben, sollte als amerikanischer Film gelten. Darum haben uns die Produzenten gebeten, unter amerikanischen Namen aufzutreten. Das hat mir keine Mühe gemacht. Ich nannte mich schon früher mal Dan Savio, später auch Leo Nichols. Leone hat als Sohn des Regisseurs Roberto Roberti den Namen seines Vaters amerikanisiert. Waren Sie sich bewusst, einen neuen Stil zu kreieren? Es war eine Musik, die Spuren des amerikanischen Folk enthielt, oder eher der irischen Volksmusik, die mit ihm verwandt ist. Durch meine Hand ist etwas daraus geworden, das vorwiegend mit Italien zu tun hat. Sie haben also den Amis den Western und die Folkmusik weggenommen? Es ging nicht darum, etwas zu annektieren, sondern darum, es zu bereichern. Ganz einfache Harmonien und leichte Gitarrenakkorde wollten wir mit etwas Interessanterem verbinden. Und das war die atonale Musik, die Sie am Konservatorium in Rom studiert haben? Filme mit Sergio Leone gehören eigentlich nicht zu meinen avantgardistischen Arbeiten. Im «Spiel mir das Lied vom Tod» sind Geräusche genau so wichtig wie die Melodie: das Tropfen des Wassers, der Schrei des Koyoten, das Summen der Fliege. Sind das nicht Elemente der Avantgarde? Natürlich. Es gibt eben den technischen Aspekt des Komponierens, eine Raffinesse, die man in die Arbeit hineinbringt, die nicht direkt auf die grossen Komponisten Arnold Schönberg oder Anton Webern zurückgeht, aber dennoch ihr Erbe ehrt. Bei den meisten Filmmusiken schwillt die Musik an, bevor etwas passiert. Bei Ihnen aber erscheinen die Helden oft ganz still, und erst dann setzt die Musik ein. Absicht? Ist das so? Vielleicht. Für mich gibt es keine sichere Methode, Wirkung zu erzielen. Es muss zum Film passen. Als ich zum Beispiel die Musik zum letzten Film von Giuseppe Tornatore, «The Best Offer», schrieb … … für den Sie bald den Europäischen Filmpreis bekommen. Glückwunsch! Danke. Also bei diesem Film war es so, dass bestimmte Handlungssequenzen durch die Musik definiert sind. Deshalb konnte ich einer Szene nie zuvorkommen, ohne zu verraten, was als Nächstes passiert. Was halten Sie selbst für Ihren grössten Beitrag zur Filmgeschichte? Filmgeschichte? Fragen Sie eher nach der Geschichte überhaupt. Die Filmmusik spiegelt unsere Zeit, im Guten wie im Schlechten. Deswegen ist es wichtig, dass die Musik in einem Film von künstlerischer und kreativer Würde geprägt ist. Und zum Film passt? Ja, schon, aber ein guter Film erträgt auch mittelmässige Musik. Wirklich? Klar, der Film ist das Hauptwerk, die Musik nur die Grundlage. Sie leistet einen kleinen Beitrag, der aber, wenn er wirklich gut ist, sehr wichtig sein kein. So demütig? Sie haben doch mal gesagt, dass Sie einen Regisseur, der Ihnen etwas aufzwingen wolle, «entlassen»? Es kann vorkommen, dass man sich nicht versteht. Dann beendet man besser die Zusammenarbeit. Ist mir auch schon passiert, auch mit sehr guten Regisseuren. Mit wem etwa? Roland Joffé etwa mochte meinen Beitrag zu «The Scarlett Letter» nicht, er fand, mein Thema sei nicht «keltisch» genug. Das hat mich sehr erstaunt. Joffé hat dann die Musik John Barry anvertraut, diese Musik hatte überhaupt keine keltischen Elemente. Hatten Sie oft Streit mit Regisseuren? Nein. Liliana Cavani war lange sehr böse auf mich, weil ich für Gillo Pontecorvo meine Musik für ihren Film «I cannibali», leicht abgewandelt, wieder schrieb. Ich sagte damals Pontecorvo, dass das nicht gehe, doch er bestand darauf. Und wie ist es mit Ihrem Bewunderer Tarantino? Sie haben nach «Django Unchained» gesagt, dass Sie nie wieder mit ihm arbeiten wollten. Tarantino macht ausserordentlich schöne Filme, keine Frage. Doch er verwendet mein Werk, wie es ihm passt, er nimmt die Musik und setzt sie irgendwo im Film ein. Ich werde ihm nicht verbieten, meine alten Sachen weiterhin zu verwenden. Einen neuen Soundtrack wollen Sie

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